Du bist aber mutig… So oder so ähnlich klingen die Reaktionen vieler Menschen auf meine Art und Weise mich in der Öffentlichkeit darzustellen:
- Ich bin Coach/Trainer/Redner und trage bei der Arbeit lange Haare, Jeans und keine Krawatten
- Ich nehme ab und mache diesen langen Prozess in einem Blog öffentlich
- Ich habe einen ganzen Haufen professioneller Ausbildungen und Kompetenzen – und mache keinen Hehl daraus, dass ich im Kern Heiler bin bzw. Menschen darin unterstütze, Heilung und Hoffnung und Frieden zu finden
- Ich zeige mich freundlich und vertrauenswürdig – und halte unbequem die Spiegel vor und fordere Haltung und Integrität ein
- Ich poste erotische und sexuelle Themen und Bilder; lasse mich auf Bodypainting-Festivals öffentlich nackt bemalen und fotografieren
- Ich artikuliere klare Positionen zu vielen Themen des gesellschaftlichen und politischen Lebens
- Ich habe einen eigenartigen Slogan
- Ich stehe auf derbe Stiefel und habe Freude an Schmuck und Schminke; kultiviere mein Mannsein genauso wie meine weiblichen Aspekte
- Ich zeige mich stark und verletzlich, freundlich und wütend
- Ich bin Business-Coach und nutze Termini wie Herz und Liebe und Spiritualität
Ist das mutig?
Als ich 2010 meine sichere Anstellung gekündigt und mein Outplacement für die Selbständigkeit begonnen hatte, habe ich mich sehr bewusst mit der Frage auseinandergesetzt, welches Image ich platzieren möchte/sollte. Wie will ich mich fortan zeigen? Was darf ich als Coach? Was sollte ich mir keinesfalls leisten, um beruflich nicht unterzugehen?
Damals habe ich mich dafür entschieden, frei zu sein.
Frei hieß für mich: Ich entlasse mich aus der Mühe, dauernd überlegen zu müssen, wo ich wem was sage oder zeige. Ich schere mich nur bedingt um mein öffentliches Image und definiere selber, welches Verhalten sich für jemanden meiner Profession geziemt. Ich gebe mich jederzeit so, wie ich mich wohl fühle.
Wichtig: Es geht hier nicht um eine kindisch-pubertäre Form von Authentizität, in der man alles raushaut wie es gerade ist. Vielmehr geht es um ein Ausloten von Kongruenz, von Stimmigkeit zwischen Innen und Außen. Um Wahrhaftigkeit, Lebendigkeit und Lebensfreude. Es geht um den Eros eines wilden Lebens und um ein Erwachsensein, das noch einen Platz für Spiel und Unvernunft lässt.
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Für alles, was wir tun und lassen, zahlen und bekommen wir einen Preis.
Ich zahle den Preis, dass mich Menschen für komisch, anders, seltsam halten (nett ausgedrückt). Ich zahle den Preis, dass ich manche Aufträge nicht bekomme, die ich, rein von meiner Leistung her, hätte bekommen können. Ich zahle den Preis, dass Menschen vermeiden, sich mit mir öffentlich zu zeigen bzw. meine Beiträge auf Facebook zu liken, zu teilen oder zu kommentieren, obwohl sie begrüßen und unterstützen, was ich schreibe.
Ich bekomme den Preis, freier zu sein als jemals zu vor und freier als viele meiner Kollegen und Freunde. „Du bist aber mutig“ – da klingt oftmals auch ein wenig Neid und Bewunderung durch so in dem Sinne, „das würde ich mich ja nicht trauen (würde ich aber gerne).“ Manchmal bekomme ich sogar Mails, in denen sich Menschen dafür bedanken, dass ich so offenherzig durchs öffentliche Leben gehe und sie daran teilhaben dürfen. Es tut ihnen gut, dass jemand wagt, was sie selbst so gerne wagen würden.
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Heute habe ich mit einer lieben Kollegin telefoniert, die sehr erfahren, sehr erfolgreich ist im Coach- und Trainingsgeschäft. Wir sprachen auch kurz über dieses Thema, und mit einem Mal meinte sie: „Dein Image ist die Freiheit.“
Und ich dachte: Wow! Das stimmt! Was für eine wunderbare Formulierung.
All die Jahre habe ich versucht, mich von den Einschränkungen eines vermeintlich seriösen Berater-Images zu lösen – und darf heute hören, dass dadurch offenbar erst recht ein Image entstanden ist. Aber eines, das mir gefällt. Das ich gerne vertrete. Dem ich gerne in der Öffentlichkeit begegne, wenn von mir die Rede ist. Danke für dieses Geschenk!
Eine Anekdote zum Schluss: Neulich meinte eine Seminarteilnehmerin, ihre Führungskraft habe ihr nahegelegt, zu mir zu kommen, denn „der Berenfänger ist echt ne coole Sau – und er hat ein großes Herz.“
Ich gehe meinen Weg weiter.
Mein Image ist die Freiheit.
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Das Gemälde stammt von der wunderbaren Kölner Künstlerin Nike Seifert, die mich darin in ihrer ganz besonderen Art und Weise portraitiert hat.
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