Gerade zogen zigtausende Menschen durch die Straßen und demonstrierten gegen die Deportationspläne von Faschisten. Seit Jahren werden die Rufe nach Umsturz, nach einer Vernichtung Der-Da-Oben-Und-Insbesondere-Der-Grünen immer lauter. Jüngst ertönen Hassgesänge gegen Juden und gegen den Westen im Allgemeinen.
Die Probleme sind komplex. Vielschichtige Ursachen verlangen vielschichtige Lösungsversuche. Dennoch wage ich nachfolgend eine Strukturierung – ohne Anspruch auf endgültige und alleinige Wahrheit, aber in der Überzeugung, dass die Dimension des Geschlechtlichen und seiner Geschichte eine zentrale Rolle spielt, wenn es darum geht, autoritäres Denken und Handeln von rechts und von links zu überwinden.
Was gemeinhin in positiver Weise als männlich gilt:
- Distanz, Freiheit, Kontrolle
- Stärke, Kraft
- Hart, abweisend
- Tun, planen
- Entschiedene Entscheidungen
- Betrachten, Distanz
- Tiefe, ergründen
- Metaphysisch
- Fordern, sich messen
- Status, Rang
- Kompetent, respektabel
- Aktiv
- Neues, Herausforderungen
- Kämpfen
- Analytisch, rational
- Eindringen
Was gemeinhin in positiver Weise als weiblich gilt:
- Nähe, Bindung, Zugehörigkeit
- Schönheit, Leuchten
- Weich, fließend
- Sein, Hier und Jetzt
- Ambivalenzen halten
- Gesehen werden, aufmachen
- Verspielt, Leichtigkeit
- Erdverbunden
- Fürsorge, Mitgefühl
- Beziehung, Kooperation
- Freundlich, sympathisch
- Reaktiv
- Erfüllt sein
- Strahlen, tanzen
- Herz, spüren
- Aufnehmen
Jedes Ideal, jede positive Qualität, kann durch einseitige Übertreibung zur Schwäche werden, zu einer negativen Qualität (Werte- und Entwicklungsquadrat).
So können die o.g. positiven männlichen Qualitäten zu männlichen Schatten mutieren:
- Angst vor Nähe und Sich-Einlassen
- Selbstsucht
- Pedantischer Rigorismus
- Trennende Einsamkeit, Alleinsein
- Beherrschen, Kontrolle
- Arrogant
- Andere verletzen, Gewalt
- Lautes Verstoßen
- Technokratisch, Rationalität
- Externalisieren
- Stummheit
- Körperferne
So können die o.g. positiven weiblichen Qualitäten zu weiblichen Schatten mutieren:
- Angst vorm Handeln
- Selbstaufgabe
- Chaotische Entgrenzung
- Symbiotische Verschmelzung
- Brav und gefällig sein
- Unterwürfig
- Sich selbst verletzen
- Stilles Nachtragen
- Esoterisch
- Alles in sich reinlassen
- Dauerquasseln
- Unzufrieden mit dem Körper
Oder kurz:
- Aus der positiven männlichen Qualität des In-Bewegung-Seins kann die toxische Männlichkeit der Herzlosen Rechthaberei entstehen (AfD, WerteUnion, Putin, Trump usw.).
- Aus der positiven weiblichen Qualität des In-Ruhe-Gehens kann die toxische Weiblichkeit der Kopflosen Gefühligkeit entstehen (BSW, Postkolonialismus, Wagenknecht, Schwarzer usw.).
Mögliche Konsequenzen:
- Aus der toxischen Männlichkeit kann dann das Denk- und Handlungs-Repertoire erwachsen, das wir heute bei manchen Männern beobachten (rassistisch, sexistisch, gekränkt, führer-orientiert usw.)
- Aus der toxischen Weiblichkeit kann dann das Denk- und Handlungs-Repertoire erwachsen, das wir heute bei manchen Frauen beobachten (antisemitisch, Opfer-Wettkampf, unvernünftig, rachedurstig usw.)
Beide brauchen zur Selbstregulierung Sündenböcke, den sie ans Kreuz nageln dürfen. Im Denken, im Reden, im Handeln.
Das Gute ist: Diese Erkrankung kann man heilen – niemand muss seine Geschlechtsidentität in toxischer Weise realisieren. Wie immer und überall im Leben geht es um Balance – um ein gesundes Gleichgewicht der männlichen und weiblichen Qualitäten: Im Individuum, in der Beziehung, in der Gesellschaft, in der Politik, in der Wirtschaft, in der Religion.
Das Doofe ist: Diese Menschen müssen das von sich aus wollen.
Das heißt: Es braucht gute Coaches und Therapeuten – und bis dahin eine Gemeinschaft, die diese Menschen klar und konsequent begrenzt, damit sie keinen Schaden anrichten.
Das heißt auch: Argumentieren und vernünftiges Reden ist völlig zwecklos. Es helfen nur Grenze und liebevolle Vorbilder.
PS. Jedes Geschlecht kann natürlich männliche und weibliche Qualitäten zeigen und einen Mix aus beiden.
PPS. Wo kommt das her? Aus den patrirarchalen Strukturen. Die einen (Männer) sehen gekränkt ihre Felle schwimmen (Macht, Privilegien, Sexpartnerinnen) – die anderen (Frauen) sehen endlich eine Chance, die Verletzungen aus hunderten von Jahren weiblicher Unterdrückung zu vergelten. Verständlich ist beides – aber Sündenböcke heilen weder Gesellschaften noch Seelen.
Immer wieder also Valarie Kaur: “See no stranger – sieh den anderen nicht als einen Fremden, sondern als einen Teil von Dir, den Du nur noch nicht kennst.”