Fast alle, die mit Ihren Eltern hadern und von ihnen loskommen wollen, tappen in dieselbe Falle – sie denken den Gedanken: „Ich will niemals so werden wie du/sie!“. Und genau in diese Falle tappt die CDU jeden Tag aufs Neue und macht die Sache dadurch immer schlimmer.
Wer Verletzungen verwinden will, die ihm jemand zugefügt hat, bezieht sich in Gedanken (ob mit Coach oder Therapeutin oder ohne) natürlich auf diesen Jemand. Wie auch nicht! Zugleich sorgt das Sich-Beziehen dafür, dass eine Art mentale Nabelschnur entsteht, die einen an diesen Jemand fesselt. Und je mehr ich dränge, wüte und beteure, dass ich niemals niemals so sein will wie… desto stärker binden diese Fesseln an den Schmerz, an die Verletzung und vor allem an den Menschen, der all das verursacht hat.
Solange ich in meiner Persönlichkeitsentwicklung „ich will nicht so werden, WIE…“ denke, so lange beschäftige ich mich mit dem Andern und nicht mit MIR und wie ICH eigentlich leben will und könnte. Solange ich die schlechten Eigenschaften eines ANDERN ins Zentrum meines eigenen Prozesses rücke, solange ist für MEINE Eigenschaften, Werte, Sehnsüchte und Potenziale kein Platz.
Was hat das nun mit der CDU im Allgemeinen und mit Friedrich Merz im Besonderen zu tun?
Die CDU denkt beinah ausschließlich in GEGNERN: Die Günen, die Linken, die Woken. Die Armen, die Arbeitslosen, die Migranten, die Frauen, die Queeren, die Klimaschützer. Alle paar Jahre wird ein neuer „Hauptgegner“ gekürt und zwischendurch diverse Zwischen-Gegner.
Die CDU arbeitet sich mit ohnmächtiger und kindischer Wut an ihren Gegner ab (Brandmauer! Woke!) – und vergisst seit Jahren, den Gedanken zu denken: Was wollen WIR eigentlich? Für Deutschland, für Europa, für die Welt. Wie wollen wir eigentlich die ZUKUNFT gestalten, statt wie hätten wir gerne eine konstruierte Vergangenheit zurück.
Merz und seinen Männer und Frauen schreien den ganzen Tag wie ein kleines Kind: Mama, Papa, ich hasse Euch! Ihr ruiniert mein Leben! Lasst mich in Ruhe! Und wie ein Kind binden sich Friedrich Merz, seine Partei und seine Wähler*innen damit immer mehr an die AfD und die Eigenschaften, mit denen sie das Land und Europa und die Welt zerstören wollen.
Wer in einem Prozess der Persönlichkeitsentwicklung von sich – oft unter Schmerzen – entscheiden, wen er ab-scheiden will; aus welchem Denken er aus-scheiden will. Nicht aus moralischen Gründen, sondern weil es die einzige Chance ist, herauszufinden, wer MAN SELBST IN ZUKUNFT sein möchte.
Und so hat auch die CDU nur die Chance, die Zukunft nazi-frei zu gestalten, wenn die sich vom verengenden Blick auf die AfD löst und ehrlich schaut, wie und mit wem sie NACH VORNE gehen könnte.
Wenn die CDU diesen Entwicklungsschritt geht, brauchen wir auch keine Angst mehr davor haben, dass es keine demokratischen Mehrheiten mehr geben könnte, denn die Mehrheit der Menschen WILL eine Zukunft für sich und ihre Kinder, ihren Wohnort, ihr Land, ihr Europa.
Wer erkennt, wie lang und massiv er sich in seinem Denken, Fühlen und Handeln am längst Vergangenen orientiert hat, empfindet oft Scham. Aber da muss und kann man durch. Der Preis, den man für diesen mutigen und würdevollen Entwicklungsschritt gewinnt, ist unermesslich größer, als die kurzen Kicks, die einem ein „Stadtbild“ und „Kleines Paschas“ je geben könnten.
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Quelle des Screenshots: ZEIT-Online
Portrait Franny Berenfänger: Julia Kamenik
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