In jedem Führungskräfte-Training oder –Coaching fallen früher oder später diese Sätze:
„Ich hab da so einen Kandidaten… Der macht, was er will… Ich hab schon alles probiert…“
Die Geschichten, die dann folgen, sind oft haarsträubend – kennen Sie auch, oder?
So individuell die Geschichten auch jeweils sind – meist bieten sich die immer gleichen Hebel an, um eine Lösung zu erreichen. Meine persönlichen Top 7 finden Sie hier:
- Frühzeitig intervenieren
- Konsequenzen ermöglichen
- Motivationszuständigkeit klären
- Projektionen ablehnen
- Beziehungsebene zulassen
- Respekt lernen
- Führungswertvoll sein
1.) Frühzeitig intervenieren
Der Klassiker. Neulich beklagte sich die Chefin einer kleinen Agentur, dass die Leistungen und die Umgangsformen der neuen Assistentin zunehmend schlimmer würden. Sie war voller Ärger und überlegte schon, der Frau zu kündigen. Die gezeigten Verhaltensweisen waren tatsächlich unter aller Kanone, aber dann fragte ich die Chefin, wie lang das schon so gehe. Etwa sechs Monate war die Antwort bei etwa sieben Monaten Betriebszugehörigkeit.
Das erlebe ich immer wieder: Dass Führungskräfte die Dinge zu lange schleifen lassen in der irrigen Hoffnung, das Ganze würde sich wieder einrenken. Der Mitarbeiter würde von selbst sein Verhalten an den gewünschten Standard anpassen. Ganz ehrlich: Ich habe noch nie erlebt, dass das geschieht. Im Gegenteil. Je länger, je schlimmer. Am Ende kann es nur eine geben. Eine Empfehlung. Geben Sie der betreffenden Person sofort Feedback. Sofort! Schnell! Zeitnah!
So wie Kinder bei ihren Eltern die Grenzen testen, so tun dies auch Mitarbeiter bei Ihren Vorgesetzten. Ich kenne einen Chef, der stellt sich wie eine Wand vor sein Team, um es nach oben hin zu schützen. Und wenn einer Mist macht, steht er in zwei Minuten neben dem Mitarbeiter und spricht mit ihm. Sein Team funktioniert. So wie Eltern Probleme bekommen, wenn sie Kindern keinen Rahmen setzen, so bekommen den auch Führungskräfte – und deshalb noch einmal: Warten Sie nicht ab. Handeln Sie.
2.) Konsequenzen ermöglichen
„Das kann ich doch nicht machen.“, sagte mir ein Geschäftsführer auf meine Frage, warum er den Mitarbeiter nicht entlasse. Dessen Verhalten war ungehobelt, unreif, und vor allem riss er zunehmend die Atmosphäre des gesamten Teams in den Abgrund. Ganz langsam, aber spürbar. Die Führungskraft hatte keinen Zweifel, dass Besserung nicht in Sicht käme – hatte aber Hemmungen, die angemessene Konsequenz zu ziehen. In diesem Fall war der Grund schlechtes Gewissen. Bei Großunternehmen erlebe ich eher, dass man sich nicht die Mühe machen möchte, das Fehlverhalten gerichtsfest nachzuweisen, oder man weiß, dass die Personalabteilung bzw. die Geschäftsführung einem in den Rücken fällt.
Eine Führungskraft muss die innere und äußere Freiheit haben, sich im Zweifelsfall von einem Mitarbeiter zu trennen. Dass dies die Ultima Ratio ist und anständig geschehen sollte – selbstverständlich!
3.) Motivationszuständigkeit klären
Viele Führungskräfte beklagen sich bei mir, dass sie ihr Team motivieren sollen. Gerne vor allem dann, wenn die nächsthöhere Ebene dieses Team vorher zur Sau gemacht hat… Was wurde nicht alles probiert, um Mitarbeiter zu motivieren. Weder die Möhre vor der Nase noch der Knüppel aus dem Sack haben letztlich funktioniert. Man kann es nicht klar genug sagen: Man kann Menschen nicht motivieren. Die Motivation zur Leistung muss ein Mitarbeiter selber mitbringen. Dementgegen gibt es unendlich viele Möglichkeiten, Mitarbeiter zu de-motivieren. Das geht ganz schnell und funktioniert garantiert nachhaltig. Ich behaupte: Eine Führungskraft, die ihre Mitarbeiter nicht unnötig demotiviert, macht einen Riesen-Job.
Noch immer wird hemmungslos unterschätzt, welch zentrale Bedeutung das Recruiting im Unternehmen hat: Wenn dort Menschen ausgewählt werden, deren Motivation nicht zum Unternehmen passt, dann nützen auch die genialsten Führungsmaßnahmen nichts.
So wie neulich, als mich eine Vorgesetzte bat, einen frischgebackenen Teamleiter „fit zu machen“. Es stellte sich schnell raus, dass dies dutzende von Coaching-Stunden und jede Menge Seminare benötigt hätte – mit dennoch ungewissem Ausgang. Auf meine Frage, warum sie den Teamleiter in diese Position gebracht hatte, sagte sie: „Er tat mir leid. Ich wollte ihm was Gutes tun.“ Funktioniert nicht.
4.) Projektionen ablehnen
Aus meiner Männerarbeit weiß ich, wie unendlich viele Männer sich im Grunde nur nach einem sehnen: Dass ihr Vater endlich mal sagt „Junge, ich bin stolz auf dich.“ Und wie viele Männer darüber hinaus Erfahrungen mit väterlicher Gewalt gemacht haben. Diese Männer suchen oft ihr ganzes Leben lang nach der Anerkennung und nach dem Respekt des Vaters – und projizieren diese Sehnsucht unbewusst auch auf ihre männlichen Chefs. Und dann kommen die Probleme. Denn der Chef ist nicht der Papa, und der Sohn bekommt nicht, was er braucht. Sehr schnell entstehen Reibungen und Aggressionen, die nicht zum jeweiligen Anlass zu passen scheinen. Die zu groß wirken für das, worum es geht.
So wie im Fall des Abteilungsleiters, der vom Filialleiter zu mir geschickt wurde. Der hatte so eine Wut auf die herablassende Art seines Vaters, dass er sich mit allen Männern anlegte, mit denen er arbeitete. Er stand kurz vorm Rauswurf und musste sich jetzt mit der Erkenntnis auseinandersetzen, dass er sich emotional verrannt hatte.
Heißt für Sie als Führungskraft: Wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihnen ein Mitarbeiter wiederholt in einer Weise Ärger, Wut und Angriffslust entgegen bringt, die Sie für eigenartig unangemessen halten: Sprechen Sie’s rasch an. Unter vier Augen. Und legen Sie dem Mann ein Coaching ans Herz, damit er lernt, Eigenverantwortung zu übernehmen. Und versuchen Sie bitte nicht, ihn zu heilen!
5.) Beziehungsebene zulassen
„Bei uns geht es nur um die Sache.“, betonen viele Führungskräfte und fordern bei ihren Mitarbeitern „professionelles“ Verhalten ein. Dazu geben Sie sich betont unnahbar und verströmen den Spirit einer Excel-Tabelle auf zwei Beinen. Die Hirn- und Verhaltensforschung zeigt uns heute sehr deutlich, was Menschen brauchen: Freiheit und Autonomie, sie wollen dazugehören und selbstwirksam sein dürfen. Und die damit verbundenen Qualitäten sind keine Fakten sondern Gefühle. Eine Führungskraft, die menschliche Grundbedürfnisse weder kennt noch deren Fehlen bemerkt, hat die besten Chancen, ihr Team dauerhaft zu demotivieren, in Krankheit und Fluktuation zu treiben.
Auch wenn es Ihnen suspekt erscheint, softie-mäßig oder lästig: Beschäftigen Sie sich mit den emotionalen Grundlagen, und suchen Sie sich Strategien, diese in Ihrer Führungsarbeit zu berücksichtigen.
Sonst werden Mäuse zu Elefanten wie neulich, als ein Geschäftsführer den Konzernmitarbeitern überraschend mitteilte, dass man sich ab sofort duze. Die Mitarbeiter fühlten sich überrumpelt – und waren noch zwei Jahre später voller Ärger gegen die Konzernspitze. Mit ein wenig Fingerspitzengefühl und Kommunikationsgeschick wäre das nicht passiert.
6.) Respekt lernen
Früher hieß es „Dich lehre ich auch noch Respekt“ – heute heißt es „Ich lerne Respekt“. Hierarchien lösen sich auf. Immer öfter muss lateral geführt werden. Fluktuation ist normal. Teams arbeiten über Kontinente hinweg zusammen. Agile Methoden werden eingefordert. Bei alldem hat respekt-heischendes Verhalten auf Dauer keine Chance.
Jedes Unternehmen hat seine internen Vokabeln. Eines kultivierte den Satz „Dann wirst du lang gemacht“ – und wunderte sich, dass Kooperation und Motivation nicht gut funktionierten.
Wer führen will, muss zeigen, dass er es wert, dass man ihm folgt. Und das beginnt beim Respekt für sich selbst und für die anderen. Der Respekt, den sich die Führungskraft wünscht, kann sie nicht einfordern. Das wäre wie das Bonmot „Jetzt sei doch mal spontan!“
7.) Führungswertvoll sein
Wer führen will, muss zeigen, dass er es wert, dass man ihm folgt, habe ich im letzten Punkt geschrieben. Und das ist der Kern von allem. Wer als Führungskraft den Knüppel aus dem Sack holen muss, hat seine Sache lange vorher verbockt. Und der Knüppel kann dann höchstens noch das Allerschlimmste regeln. Das, was ein Unternehmen wirklich braucht – Kreativität, Zusammenarbeit, die Freiheit zum Ausprobieren, Eigenverantwortung, Zuhören – all das kann ein Knüppel nicht herzaubern. Bleibt also nur: Bei sich selbst anfangen. Innere Selbstführung kultivieren. Sich führungs-wert-voll machen.
Wie der Unternehmer, der letztens mit der Klage kam, dass seine Mitarbeiter so schrecklich seien. Aber irgendwie habe er das Gefühl, das könne auch mit ihm selbst zu tun haben. Wir arbeiteten, und beim vierten oder fünften Treffen berichtete er strahlend, dass was Komisches passiert sei. Plötzlich würden seine Leute proaktiv sein, und er bekäme Initiativ-Bewerbungen von Menschen, nach denen er jahrelang vergeblich gesucht habe. So läuft’s.
Fazit: Wenn Sie Mitarbeiter auf Spur bringen wollen, tun Sie’s schnell, konsequent, mit den richtig Ausgewählten und voller Selbstreflexion. Dann kann der Knüppel im Sack bleiben.
Viel Erfolg!
Teil 2 von “Mitarbeiter auf Spur bringen – Knüppel aus dem Sack”
Teil 3 von „Mitarbeiter auf Spur bringen – oder: Knüppel aus dem Sack“
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Herzlich Birgid