Jedes Jahr am 1. Mai feiern wir das Zusammenhalten und Zusammenstehen. In diesem Jahr liegt der Feiertag mitten in einer der größten Krisen, die Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg erlebt hat. Um die Pandemie menschlich, wirtschaftlich, politisch, seelisch zu bewältigen, müssen wir als Bürger zusammenhalten und zusammenstehen wie wohl nie zuvor. Und dafür brauchen wir einen Fixpunkt, um den wir uns versammeln können. (tagdeRArBEit)
Ich lade also ein darüber nachzudenken, wer oder was – nicht nur aber auch in diesen Monaten – ein Fixpunkt sein könnte, um den herum wir Deutsche uns versammeln könnten. Und zwar möglichst alle. Alte und junge, Linke und Rechte, Westler und Ostler, Männer und Frauen, Weiße und Schwarze usw.
Der 1. Mai selbst fällt aus. Die klassische Arbeiterschicht und -bewegung gibt es nicht mehr; vielmehr wird der Tag vor allem zum Biertrinken beim Maibaumsetzen oder zum Biertrinken beim Randalieren genutzt…
England hat die Queen und den NHS, um den sich alle mental versammeln; in Deutschland werden zwei Fernsehsendungen als Lagerfeuer der Nation bezeichnet („Verstehen sie Spaß?“ und „Tatort“) – kein wirkliches Kraftzentrum, würde ich meinen…
Bei näherem Hinsehen fallen 8 deutsche Mythen ins Auge, die aber wegen ihrer ebenfalls ins Auge fallenden Schattenseiten ausfallen:
// Fußball
Es gab Bern, das Sommermärchen, den Kaiser, das Spiel 7:1 gegen Brasilien – aber eben auch den Korruptionsverdacht rund um Katar mit dem Kaiser im Zentrum und das kindische Gedrängel während Corona
// Auto
Es gibt den Volkswagen, das Schaffe beim Daimler, die Autobahn mit freier Fahrt für freie Bürger, weltweit begehrte Autos aus Bayern und BaWü – aber eben auch den Diesel-Skandal, das Verschlafen der E-Technologie, das Festhalten am Auslaufmodell Verbrennungsmotor, die Platzfresser im öffentlichen Raum
// Bier
Es gibt den Stolz aufs Reinheitsgebot, den Karneval und das Oktoberfest – aber eben auch Millionen Alkoholkranke und zigtausende -tote. Und das Oktoberfest fällt jetzt auch noch aus
// Die Schwarze Null
Es gibt die Schwäbische Hausfrau, das Wirtschaftswunder, Mallorca für alle – aber eben auch die Soziale Schere, Investitionsstaus, die Zuchtmeister-Arroganz
// Friedfertigkeit
Es gibt Nie wieder Krieg und Wehret den Anfängen, eine reiche Erinnerungskultur und das menschenfreundliche Wir schaffen das – aber eben auch massive Waffenexporte, PEGIDA und AfD, Schwarzgeld- und Mafiatoleranz, ein schwergängiges Ringen um Gleichberechtigung für Frauen und LGBT, immanenten Rassismus und arme Kinder in einem reichen Land
// Made in Germany
Es gibt weltweit geachtete Ingenieure und höchste Qualität im Auto- und Maschinenbau – aber eben auch immer größere Defizite in Schlüsseltechnologien (IT/KI, Plattformen, Solar, E-Autos uvm.) und immer neue Bau- und Planungsdesaster (BER, Stuttgart 21 uvm.)
// Kultur
Es gibt eine weltweit einmalige Vielfalt an Opern, Theatern und Orchestern – aber eben auch eine kaltschnäuzige und brutale Ignoranz der Künstler und Kulturschaffenden während der Corona-Pandemie
// Ordnung und Pünktlichkeit
Es gibt eine funktionierende Verwaltung, wenig Korruption, Mülltrennung und einen starken Rechtsstaat – aber eben auch Spießigkeit, ausufernde Planungszeiten, die Deutsche Bahn und eine Abwesenheit von Visionen in Architektur, Stadtplanung und Mobilitätsgestaltung
Die drei üblichen Verdächtigen fallen als Bindeglieder ebenfalls aus:
- Kirche (Missbrauch, Frauenfeindlichkeit, spirituelle Leere)
- Nationalstolz (zwei Weltkriege, Holocaust, Höcke & Co)
- Staatsoberhaupt (zur Zeit ohne Ausstrahlung und praktisch nicht anwesend)
Was also bleibt uns?
Was wir alle mehr oder weniger teilen, ist ein Hang zum Empören, zum Nörgeln, zum Neiden. Aber das reicht nicht…
Daher noch einmal: Was bleibt uns? Wer bleibt uns?
Ich habe keine Antwort bzw. nur meine ganz private. In ihr geht es um Verbindung und Vertrauen, um Liebe und Fülle, um Lernen und persönliche Entwicklung. Aber das gilt nur für mich persönlich.
Vielleicht ist der 1. Mai 2020 ja der Tag,…
…an dem wir den Schmerz einer klaffenden Leerstelle erkennen – und annehmen. Und uns damit erst aufmachen für das, was wir auch brauchen. Als Bürger, als soziale Wesen. Als Menschen mit einer verletzlichen und verletzten Seele.
Und vielleicht ist die Erkenntnis, dass das, was uns seit Ende des Zweiten Weltkriegs den größten Halt geboten hat – die edle Scham des Tätervolks und die Gnade unseres materiellen Reichtums – nicht mehr reicht, um auch in Zukunft Zusammenhalt und Zusammenstehen für alle zu spenden.
Das wäre eine große Chance! Eine großartige Möglichkeit!
Wir könnten uns aufmachen, gemeinsam zu neuen Ufern aufzubrechen. Als Gesellschaft, als Individuen. Im Kollektiv, in der Seele. Verbindend und vertrauend. In Einigkeit und Recht und Freiheit. In Freude und Offenheit, liebevoll und mitfühlend. – Ein neuer Fixpunkt findet sich dann von ganz alleine.
Hier mein persönliches Angebot für eine öffentliche Debatte:
Ein kurzes Manifest einer großen Zukunft
von Harald Berenfänger
Gesunde Verbindungen errichten – mit sich selbst, mit dem Anderen, mit der ganzen Welt.
Ein liebevolles Ich.
Ein offenes Du.
Ein kraftvolles Wir.
SOUVERÄN sein bedeutet nicht länger,
am rechthabendsten, schnellsten, besten, lautesten, stärksten, reichsten, spirituellsten, schönsten oder mächtigsten sein.
Souverän sein bedeutet,
Ambivalenz, Unsicherheit und Nicht-Wissen zu halten.
JA sagen zu allem, was ist, UND ins Tun gehen.
Die PSYCHOSOZIALE Gesundheit
des Einzelnen und der Gesellschaft
ist sowohl ZIEL als auch SINN allen Handelns.
Wertschätzende Kommunikation und wahrhaftiger Kontakt
sind also sowohl KOMPETENZ als auch PURPOSE
der persönlichen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung.
Von innen nach außen – vom ICH zum DU zum WIR.
Im Zentrum Selbst-BEWUSSTSEIN und Selbst-VERTRAUEN.
Von dort in den KONTAKT
mit dem Gegenüber und den Vielen
und von dort wieder zurück zu sich selbst.
In dieser Verbindung entsteht NEUES.
Etwas, das bis dahin
weder war noch gedacht wurde –
EMERGENZ.
Im Kreislauf aus VERBINDUNG und SCHÖPFUNG
entsteht in uns selbst und
in den Angelegenheiten unseres Zusammenlebens:
GESUNDHEIT an Herz und Seele,
in Wirtschaft und Gesellschaft.