Clara (62):
„Lieber Herr Berenfänger, ich bin 62, aber gefühlt 42… Ich glaube schon lange nicht mehr an Zufälle, und so bin ich auf Ihrer Seite gelandet, nachdem ich voller Begeisterung die 2-Punkt-Methode entdeckt habe. Ich sage von mir, dass ich ein bewusster Mensch bin, aber ich habe bei mir selbst den berühmten blinden Fleck. Ich war wg. verschiedener ‚Krankheitsbilder’ kürzlich ca. 5 Monate in stationärer Behandlung. U.a. hatte ich einen leichten Schlaganfall, von dem immer noch mein linker Arm teilweise beeinträchtigt ist. Für mich ein sichtbarer Ausdruck meiner aktuellen Situation: Ich bin gelähmt, unbeweglich, fühle mich nicht. Lunge; ich kriege nicht genug Luft. Ich habe im Laufe der Jahre viele alternative Methoden ausprobiert, habe auch ein paar Ausbildungen in dieser Richtung und kann anderen Menschen oft helfen. Bei mir sind mit der Zeit auch Veränderungen eingetreten, aber jetzt bin ich an dem Punkt, an dem scheinbar nichts weitergeht. Ich bin völlig blockiert… Wo ist der Haken? DANKE! 🙂 Clara
Liebe Clara, erst einmal möchte ich Ihnen sagen, dass ich mich freue, dass Sie die Station nach der langen Zeit wieder verlassen konnten; es scheint Ihnen wieder besser zu gehen. Gleichwohl geht es Ihnen noch nicht so gut, wie Sie es sich wünschen. Ihr Körper bremst Sie; zwingt Sie, das Tempo runterzufahren, und das gefällt Ihnen nicht.
Ich kann Ihnen nicht sagen, wo der Haken ist. Ich kenne Sie nicht; kenne Ihre (Kranken-) Geschichte nicht und auch nicht Ihre persönliche Lebenssituation.
Was mir aber auffällt:
Sie beginnen Ihre Nachricht an mich mit dem Hinweis, dass Sie sich 20 Jahre junger fühlen als Sie sind. Gefolgt von Hinweisen, dass Sie nicht an Zufälle glauben. Dass Sie skeptisch sind, was den Begriff Krankheit angeht. Dass es Ihnen unangenehm ist, dass Ihre Fähigkeiten, sich selbst zu helfen, begrenzt sind. Für mich klingt dies nach einem Menschen, der sich noch etwas schwer damit tut, die Wirklichkeit zu akzeptieren.
Liebe Clara, vielleicht könnte ein Hebel für Sie sein, die Dinge so zu sehen wie sie sind: Sie sind inzwischen eine alte Frau und haben den Körper eines alten Menschen.
Es gehört wohl zu den größten Herausforderungen unseres modernen Lebens, dass wir akzeptieren müssen, dass wir nicht immer 42 bleiben. Dass unser Körper auch krank wird – ganz gleich, ob wir uns im Geiste jünger fühlen und ein Leben lang Sport getrieben und auf unsere Ernährung geachtet haben. Damit einher geht die bittere Erkenntnis, dass wir nicht alles, was wir uns in jungen Jahren erträumt haben, wahr gemacht haben; wir haben Dinge versäumt und Fehler gemacht. Vielleicht stellt sich sogar Reue ein.
Bis zur Lebensmitte haben wir mit all dem meist wenig zu tun. Wir sind fit und voller Pläne und Selbstbewusstsein. Nach der Lebensmitte aber fallen uns die Kränkungen des Krankwerdens dann öfter zu. Zufall? Nein, wohl eher der Lauf der Welt. Keine Strafe, kein Ergebnis ungenügenden Wünschens, kein Irgendwie-Selber-Schuld. Einfach nur: das Alter.
Ich bin ein großer Freund davon, bei körperlichen Symptomen auch nach seelischen Entsprechungen zu suchen. Aber ganz offenbar finden Sie keine – zumindest berichten Sie hier nicht davon – und selbst wenn Sie sie fänden: es wird Sie nicht von der ehrenwerten Aufgabe entbinden, Akzeptanz zu üben.
Akzeptieren, nicht resignieren!
Akzeptieren heißt, die Realität anzuerkennen. Ja zu sagen zu dem, was ist. Kein Widerstand mehr gegen die Wirklichkeit, sondern gemeinsam mit allen Wirklichkeiten, die einen begleiten, die Zukunft gestalten.
Vielleicht ist ja genau dort der Haken versteckt, den Sie suchen, liebe Clara. Vielleicht kann Ihre Blockade zur Ruhe kommen, wenn sie Ihnen vertraut, dass Sie Ihrerseits nicht länger die Wirklichkeit blockieren.
Womöglich liege ich aber auch ganz falsch… Auch ich habe blinde Flecken… In jedem Fall wünsche ich Ihnen, dass Sie auf allen Ebenen bald so beweglich werden, wie Sie es sich wünschen.
Alles Gute,
PS. Allen Fragen und Antworten finden Sie wie immer hier