Viele Führungskräfte kennen das. Sie übernehmen eine Mannschaft, die bis dahin jahrelang von ihrem Vorgänger versaut worden war. Manchmal handelt es sich dabei um ganze Unternehmen, manchmal um Abteilungen oder einzelne Teams.
In meinen Gesprächen mit Nachfolgern gibt es 6 Aspekte, die mir immer wieder auffallen:
- Mitarbeiter verweigern sich…
…mit aller Macht gegen die anstehenden Veränderungen. Sie mauern, maulen, intrigieren, hintergehen, stiften Unfrieden. - Mitarbeiter verteidigen Pfründe…
…die zuvor vom „Gutsherren“ nach Gutdünken verteilt wurden. Materielle oder finanzielle Zuwendungen und Vergünstigungen, Ausnahmen bei der Arbeitszeit, Sonderrechte, informelle Vorteile usw. - Mitarbeiter zeigen tiefe Skepsis…
…gegenüber der neuen Führung. Oft handelt es sich um Misstrauen in einem Ausmaß, für das es keine realistische Entsprechung im Verhalten der neuen Führung gibt. - Mitarbeiter haben Angst…
…vor der neuen Führung, obwohl die keinen Anlass dazu gegeben hat sondern im Gegenteil eher vorsichtig und behutsam auftritt. - Mitarbeiter schauen nur auf ihren persönlichen Vorteil…
…obwohl jetzt alle am selben Strang ziehen müssten. Es scheint keinerlei Sinn für’s Gemeinsame zu geben, für Angemessenheit und Takt. - Die neue Führung zeigt sich persönlich enttäuscht…
…durch diese Verhaltensweisen; tut sie doch alles, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen, in den der Vorgänger ihn mit Gewalt gestoßen hat.
Der Punkt ist:
Die Mitarbeiter mussten sich bislang unter einer dysfunktionalen Führung arrangieren, und da wird es kaum ausbleiben, dass Eigenschaften wie proaktives Handeln, Mitdenken, Kooperieren, Rücksicht nehmen, Offenheit, Respekt, Zuversicht, Mut, Selbstbewusstsein und Vertrauen auf der Strecke bleiben.
Je länger ein Fisch vom Kopfe her stinkt, desto mehr nimmt auch der Rest des Fisches einen fiesen Geruch an. Und diejenigen Mitarbeiter, die die Abwärtsspirale des Anstands nicht mitmachen wollten, arbeiten wahrscheinlich längst für ein anderes Unternehmen.
4 Dinge stehen daher als erstes auf dem Flipchart, wenn sich die neue Führungs-Crew Unterstützung bei mir holt:
- Akzeptiere, dass das unerwünschte Verhalten der Mitarbeiter nicht böse sondern sinnhaft ist. Ursache und Wirkung. Die alte Führung hat in den Wald hineinrülpst – also hat es entsprechend aus ihm herausgeschallt. Die Mitarbeiter müssen erst (eine ganze Weile) erleben, dass es jetzt anders ist – dass es anders werden soll, reicht für eine Verhaltensänderung nicht aus.
- Akzeptiere, dass es sich nicht nur um einen Personalwechsel handelt sondern um einen Kulturwandel – und so etwas braucht Zeit. Eine Kultur kann man zudem nicht verordnen; sie ist Ergebnis tatsächlichen Handelns.
- Akzeptiere, dass du dich wahrscheinlich von ein paar Mitarbeitern trennen musst. Es gibt fast immer Menschen, die einen Wandel nicht mitgehen wollen; ganz gleich, welche Unterstützung man ihnen dafür auch anbietet. Die darf man nicht im Team belassen.
- Akzeptiere, dass ein Gefühl der Kränkung dein Gefühl ist. Dafür bist du selbst verantwortlich und nicht deine Mitarbeiter. Also finde heraus, was du brauchst, um es nicht länger persönlich zu nehmen, wenn die Mitarbeiter noch nicht so agieren, wie du es erwartest.
Wer eine neue Führung einsetzt, weil oder nachdem lange Zeit eine miese am Ruder war, lässt gerne mal einen Spruch fallen wie „Dann bringen Sie die Mitarbeiter mal auf Spur!“.
Das geht natürlich nicht, denn Menschen sind keine Eisenbahnwaggons, die man einfach mit einem Kran packt und aufs Gleis zurückstellt. Menschen müssen die Veränderung selber wollen, wenn sie wirklich fruchten soll, und das ist ein Prozess und keine einmalige Hauruck-Aktion. Also lassen Sie den Knüppel im Sack, und packen Sie den Menschen aus: Klar, richtungweisend, geduldig und integer. Das bringt auf Dauer mehr. Vor allem für’s eigene Wohlbefinden.
Teil 1 von „Mitarbeiter auf Spur bringen – oder: Knüppel aus dem Sack“
Teil 3 von „Mitarbeiter auf Spur bringen – oder: Knüppel aus dem Sack“