Weihnachten feiern wir die Geburt eines Mannes, den man als den Traummann schlechthin bezeichnen kann. Jesus ist der erste vollständig integrierte Mensch. Ein Mann, der auch seinen weiblichen Seelenanteil angenommen und gelebt hat.
Jesus wird als ein Mann beschrieben, der mit Frauen liebevoll und respektvoll umgeht. Er zeigt keine Angst vor reifen Frauen. Er lernt von ihnen, statt sie zu belehren. Er betrachtet und behandelt sie völlig gleichwertig und stellt sich nie über sie, ganz gleich, wie sie ihr Leben führen.
Diesen Aspekt von Jesus kann man gar nicht wichtig genug einschätzen, denn ein Mann, der seinen weiblichen Seelenanteil nicht freundlich annimmt, entwickelt sich in genau die andere Richtung: er lehnt das Weibliche unfreundlich ab. Im harmlosen Fall wird er ein peinlicher Macho und Sprücheklopfer, im schlimmsten Fall betrachtet er das Weibliche und bald auch Frauen als etwas Schlechtes; in jedem Fall als dem Manne bzw. dem Männlichen untergeordnet.
Die Folge: Der Mann, der das Weibliche aus sich aussperrt, wird wütend, launisch, leicht kränkbar, notorisch besserwissend, ideologisch, lebensfern und -feindlich. Die Folge: Alles, was weiblich ist, darf und muss unterjocht werden: Frauen und Mädchen, aber auch Schwule, Transgender, Bisexuelle und natürlich auch die Natur als Mutter Erde.
Jesus war nicht im Ansatz ein frauenfeindlicher Mann. Man kann ihn im Gegenteil als den ersten Mann bezeichnen, der jede Stufe des Erwachsenwerdens voll und ganz gegangen ist. Er zeigt sich geistig bewusst, bleibt nicht im Uneigentlichen, zeigt sich nie infantil, d.h. er geht keinem notwendigen Entwicklungsschritt aus dem Weg.
Jesus ist ganz und gar Mann – und zugleich ist das Fühlen sozusagen eine Grundfunktion von ihm. Er fühlt mit, ohne sentimental zu sein. Ihn lässt nichts kalt, ohne dass er sich in Gefühligkeit verliert. Er zeigt sich verbindend, freundlich, sorgend, helfend, aufrichtend.
Dogmatischen Männern erteilt er klare Absagen und bietet damit den herrschenden Autoritäten männlich-mutig die Stirn. Dabei hat sein Konfrontieren nichts Ego-Haftes, sondern gebiert sich ganz aus der Liebe.
Meinungen, was vermeintlich richtiges männliches oder richtiges weibliches Verhalten sei, interessieren ihn nicht. Jesus ist als Mann auf die Erde gekommen und geht in seinem Handeln doch jederzeit über ein schlichtes Bild von Männlichkeit hinaus. Und verliert in seiner Weiblichkeit niemals seine Männlichkeit. Er ist ein integrierter Mann.
Jesus verbindet – und verirrt sich doch nie in blinder Harmonie. Er verbindet die Gegensätze: Himmel und Erde, Gott und Mensch, männlich und weiblich. Das Symbol der Gegensatzverbindung wird sein Schicksal: das Kreuz. Im Akt tiefster Verbindung, Liebe und Hingabe (weiblich) zeigt sich Jesus in tiefster Männlichkeit (Verantwortung, Wille, Pflicht, Stellungnahme, Entscheidung und Entschiedenheit).
Jesus liebt. Und zwar, ohne ein „weil“. Er liebt, ohne nach Respekt, Genugtuung oder Bewunderung zu streben. Zugleich legt er Wert auf die Freiheit des Einzelnen. Jeder kann sich selbst entscheiden, ob er sich auch auf den Weg der Liebe begibt; auf den Weg zurück zu Gott. Den verlorenen Sohn empfängt Jesus voller Freude und ohne Dünkel. Aber er entlässt ihn auch nicht aus der Eigenverantwortung, sich für die Rückkehr selbst zu entscheiden. Männlich und weiblich zugleich.
In der Schöpfungsgeschichte heißt es, dass Gott den Menschen als Mann und Frau geschaffen habe, und Jesus lässt nicht den Hauch eines Zweifels aufkommen, dass diese Aussage auf eine Verbindung hinweist, die vom Menschen nicht getrennt werden kann, indem eine Seite die andere minderwertig behandelt und betrachtet. Es ist ein Elend, wie infantil die christlichen Lehrer den Satz „Und was Gott verbunden hat, das soll der Mensch nicht trennen“ in ihrem Frauenhass missdeuten und missbrauchen.
Hass, Dämonisierung, Infantilismus. Beim einzelnen Menschen führt das zu einer Neurose. Bei vielen Menschen, bei Massen, führt es in die Katastrophe: Jesus wurde vor 2.000 Jahren ans Kreuz genagelt, und noch immer quälen infantile Männer (und Frauen) alles Weibliche. Überall auf der Welt. In jeder Religion, in jedem Staat, in jeder Kultur.
Zahlreiche Strukturen wurden erschaffen, um den Mann im Zustand der Infantilität zu halten. Der Zölibat beispielsweise zwingt den Mann (oder lädt ihn ein), nicht erwachsen zu werden – nicht erwachsene Männer wurden so zum Fundamt einer Religion, die die wahre Botschaft Jesu nachhaltig verraten. Und die in den Schatten verdrängten Triebe und Bedürfnisse münden schließlich in den sexualisierten Missbrauch durch Priester und Nonnen.
Weihnachten feiern wir die Geburt eines Mannes, der der Welt eine frohe Botschaft gebracht hat. Die Kirche, die sich auf ihn beruft, hat daraus eine Droh-Botschaft gemacht und setzt ganz auf Schuld, Angst und Strafe; etwas, was Jesus selbst völlig fremd war, denn Jesus war ein Liebender ohne Wenn und Aber. Jesus liebt unmittelbar und bedingungslos. Zutiefst weiblich, mütterlich und in seiner Entschiedenheit zutiefst männlich.
Der Vater, von dem Jesus spricht, ist recht eigentlich eine Mutter: Erbarmen und Vertrauen und Liebe ohne Grenzen.
Jesus hat weder das Weibliche noch das Sexuelle je abgewertet. In der liebenden, in der sexuellen Verbindung von Männern und Frauen spiegelt sich für Jesus die Verbindung Gottes mit den Menschen. Er trennt klar die Dinge, die man mit Gesetzen regelt von Dinge, die das Herz regelt. In der Liebe hat das Gesetz nichts zu suchen, schon gar kein Gesetz, das der Unterdrückung des Weiblichen eine legale Struktur gibt.
Jesus ist der Traummann schlechthin. Er liebt alle Menschen. Alle. Punkt. Menschen können ihre Seele verkaufen oder ihren Körper, sie können Geld statt Gott hinterherlaufen, sie können andere verurteilen und quälen – Jesus hört nie auf, sie in seiner Liebe zu halten. Niemals nimmt er ihnen die Möglichkeit und die Freiheit, sich neu zu entscheiden, um Heilung zu ermöglichen.
Jesus war nie ein Richter, er war ein Retter – nur muss man sich auch retten lassen wollen. Muss sich selbst retten wollen, um gerettet zu werden. Wieder: männlich und weiblich in einem Atemzug.
Weihnachten feiern wir die Geburt eines Mannes, der sein zentrales Grundvertrauen ins Leben einer Frau anvertraut hat. Maria Magdalena hat er sich gezeigt; nicht Marius.
Jesus ist der Traummann schlechthin. Ganz und gar präsent; in seiner Nähe ist keine Beliebigkeit. Er ist ein freier Mann; ohne Angst vor Konsequenzen. Kein Streben nach Rum, Macht oder Status. Er ist fest verwurzelt und ruht in sich und dem, was größer ist als er selbst. Er weicht seinen Dämonen nicht aus; er kennt jedes Gefühl. Auch Angst, auch Zorn. Er spaltet nichts ab und geht mannhaft in den Kontakt mit sich selbst. Von dort aus lebt er – ganz weiblich – Liebe und Vertrauen und Verbindung. Er projiziert nichts auf andere; seine Schatten integriert er, statt andere mit ihnen zu quälen. Er hat sich entschieden und kämpft entschieden für seine Sache. Kraftvoll, diszipliniert, verwundbar und verwundet. Männlich. Und entfaltet in jedem Schritt, in jeder ertragenen Konsequenz: die Liebe. Weiblich.
Weihnachten feiern wir die Geburt eines Mannes, dessen Botschaft seit zweitausend Jahren darauf wartet, gehört zu werden. Wirklich gehört zu werden. Wirklich genommen zu werden.
Jesus lässt uns die Freiheit, diese Botschaft noch zweitausend weitere Jahre zu ignorieren und stattdessen alles Weibliche zu vernichten. In Frauen, in Männern, in Jungs und Mädchen, in der Natur und den Tieren, in den Ordnungen und Rollenbildern, in den Gesetzen und Wirtschaftssystemen, in den Religionen und Glaubenssätzen. Wir haben die Freiheit, wir haben die Wahl.
Nur eine Wahl haben wir nicht: Wir werden geliebt. Ob wir wollen oder nicht. Und kein Gott dieser Welt zwingt uns, uns dieser Liebe zu öffnen.
Frohe Weihnachten.