Unternehmer und Führungskräfte werden in diesen verrückten Zeiten machtvoll herausgefordert, um ihre Unternehmen und Teams gut durch die Krise zu bringen. Einfache Lösungen hat niemand – aber es gibt 10 Dinge, mit denen man den Karren ziemlich sicher an die Wand fahren kann:
- 24/7 arbeiten
- Alles alleine regeln wollen
- In der operativen Ebene wuseln
- Alte Rezepte aufwärmen
- Nur auf Homeoffice & digitale Meetings setzen
- Homeoffice & digitale Meetings ablehnen
- Priorität auf Status und Hierarchie legen
- Der eigenen Online-Performance vertrauen
- Weiterbildung und Persönlichkeitsentwicklung stoppen
- Die eigene Unsicherheit leugnen und verdrängen
1.) 24/7 arbeiten
Augen zu und durch. Sich zusammen- und den Ar*** auf reißen. Unternehmer sind Menschen, die etwas unternehmen. Aktiv. Proaktiv. Auch länger als 8 oder 40 Stunden. Das ist gut, und das ist eine starke Fähigkeit. Aber… Wer nur noch arbeitet, hat bald keine Kapazitäten mehr für die andere Seite der unternehmerischen Medaille: Für den Blick von außen. Den Blick von oben. Den Wald zu sehen und nicht nur die einzelnen Bäume. Diese Pandemie dauert zu lange, um sie im Krisenmodus zu bewältigen. Keiner weiß, wie es weitergeht. Keiner. Und dennoch braucht’s den Mut – oder die Gelassenheit – immer wieder aus dem Hamsterrad des Machens auszusteigen. Um sich das Ganze mal aus der Ferne anzusehen. Um mal etwas ganz Anderes zu machen. Um den Kopf frei zu bekommen. Um das eigene Herz wieder zu spüren. Wer als Chef:in nur noch arbeitet, verliert alsbald seinen Kompass und wird so ein Opfer überraschender Untiefen und Stromschnellen.
2.) Alles alleine regeln wollen
Niemand weiß besser als Sie, wie der Geschäftshase läuft? Es wäre es dumm, wenn Sie die Sache nicht auch gleich selbst regeln würden? In der Krise ist keine Zeit, bis es auch die anderen kapiert haben? Ihr Einsatzwillen in allen Ehren. Ja, wirklich. Aber… Der Lonesome Cowboy funktioniert vielleicht noch im Hollywood-Blockbuster. Doch die Wirklichkeit verlangt nach Flexibilität, Vielfalt, Kooperation. Wenn alles entspannt ist und gut läuft, ist Delegieren einfach. In der Krise ist es eine Herausforderung. Doch auch in der Krise gilt: Viele Schultern schultern die Sache leichter. Seien Sie der Boss, aber markieren Sie ihn nicht. Wer alles alleine regeln will, ist alsbald ganz alleine. Denn warum sollten sich die anderen noch anstrengen? Wozu? Der Alleineregler lässt schließlich keinen Raum, um Selbstwirksamkeit zu erfahren. Oder Erfolgserlebnisse zu schaffen. Oder neue Gedanken zu denken. Wer als Chef:in alles alleine regelt, entmöglicht auf Dauer, was neue Lösungen erst ermöglicht: Kreativität, Motivation, Engagement, Freude.
3.) In der operativen Ebene wuseln
Ärmel hoch und anpacken; sich nicht zu schade sein. Krise heißt: Fahren auf Sicht. Fang den Quick Win! Aber… Es ist ein schmaler Grat, der Aktivität von Aktivismus trennt. Sinn-Haftigkeit von Sinn-Losigkeit. In der Krise kümmern wir uns um das Dringliche. Da muss das Wichtige, das vielleicht noch etwas warten kann, auch schon mal etwas warten. Kein Problem. Nur darf dieser Bogen nicht überspannt werden. Wenn Chef:in sich nur noch um um dringliche Angelegenheiten auf der operativen Ebene kümmert, kümmert sich bald niemand mehr um die wichtigen Angelegenheiten auf der strategischen, globalen Eben. Eine Führungskraft ist aber gerade dafür da, zu führen. Und ganz gleich, mit welchem Führungsstil sie führt: führen kann sie nur, wenn sie das große Ganze im Blick behält. Wenn ihre Aufmerksamkeit und ihre Energie nicht im Klein-Klein aufgebraucht werden.
4.) Alte Rezepte aufwärmen
Krisen schreien nach Orientierung. Instinktiv schauen Menschen auf Lösungen und Erlöser, die es früher schon mal gelöst haben. Das kann ein Stück weit gut gehen. Aber die Lösung von gestern ist halt auch nur die Lösung von gestern. Wenn gestern der Hammer geholfen hat und es heute einen Schraubenzieher bräuchte, kann man so fest hämmern, wie man will. Ja, schauen Sie, auf welche Rezepte Sie zurückgreifen können. Aber… Hüten Sie sich davor, nur noch zurückzuschauen und nicht mehr nach vorne. Die Sicherheit, die der Blick auf das Gestern verspricht, ist eine trügerische, denn sie blendet das Jetzt und das Morgen aus. Wenn Chef:in das tut, entgeht dem Unternehmen die Chance, neue Wege zu erkennen. Krisen sind Chancen, heißt es auf Postkarten. Ja, und dafür braucht es den Mut, das Gesicht in den Sturm zu halten und Schritte zu wagen, die in der Bequemlichkeit der Vor-Krisen-Zeit noch nicht gegangen wurden. Gute Unternehmen unternehmen genau jetzt das, was bis vor kurzem noch undenkbar schien.
5.) Nur auf Homeoffice & digitale Meetings setzen
Wenig hat die Digitalisierung in der Breite so beschleunigt wie Corona. Allen Datenschützern und Betriebsräten zum Trotz haben wir in rasendem Tempo gelernt, uns in virtuellen Räumen zu bewegen. Haben Küchen und Wohnzimmer zu Behelfsbüros umfunktioniert. Monatelang waren Webcams ausverkauft, und Vokabeln wie Zoom, Teams oder GoToMeeting gingen uns bald so leicht über die Lippen, als wären wir mit diesen Techniken bereits zur Welt gekommen. Ein Glück! Wo stünde unsere Wirtschaft, unsere Gesellschaft, heute ohne diese Möglichkeiten? Man kann es sich gar nicht ausmalen. Aber… Je länger wir remote führen und uns digital begegnen, desto deutlicher wird die Leerstelle, die sich klaffend auftut. Inhalte lassen sich prima via Bildschirm – in Verbindung mit Mails, Folien und Co – vermitteln. Was auf der Strecke bleibt, ist der Mensch als körperliches Wesen. Wir begegnen uns nicht mehr. Stattdessen begegnen sich Videokacheln, Mikrofone und Headsets. Immer deutlicher wird uns bewusst, dass wir nicht nur eine Sach-Ebene brauchen, sondern auch eine Beziehungs-Ebene, um erfolgreich zu arbeiten. Um ein kollegiales Miteinander aufrecht zu halten. Um eine Unternehmenskultur zu kultivieren. Chef:in kann diese verrückten Zeiten nutzen, nahezu alles in die digitale Sphäre zu verlagern, um Kosten für Büroflächen, Büroausstattung, Teeküchen, Kantinen oder Dienstreisen einzusparen. Aber wer sein Herz nicht verschließt, der ahnt, dass dafür ein verdammt hoher Preis fällig würde. Wir sind Menschen. Soziale Wesen. Und keine emotionslosen Avatare. Kluge Unternehmer unternehmen daher schon jetzt etwas, um leibhaftige Begegnungen zu ermöglichen. Wo ein Blick in echte Augen möglich ist. Wo wir uns riechen. Wo wir die Energie des Anderen spüren. Wo wir eine echte Stimme hören und keinen eingebauten Lautsprecher. Wozu? Ein Unternehmen ist zuvörderst ein Zusammenschluss von Menschen. Nicht von Maschinen, nicht von Laptops, nicht von Organigrammen. Von Menschen. Und Menschen müssen als Menschen Menschen begegnen, um zusammen etwas zu unternehmen. Um sich wortwörtlich und im übertragenen Sinne zu verstehen. Um stärkende Gemeinschaft zu erfahren. Um Missverständnisse und Eskalationen zu vermeiden, die durch digitale Kommunikation so furchtbar gefördert werden.
6.) Homeoffice & digitale Meetings ablehnen
Es gibt einen Typus von Unternehmer, der es in diesen Zeiten echt schwer hat. Man nennt ihn Patriarch, Alleinherrscher oder Kontrolletti. Das ist der Typ Boss, der am liebsten in jedem Moment jeden Schritt jedes Mitarbeiters im Blick hat. Das Mindset dieses Führungskraft-Typs sieht in jedem Mitarbeiter zuerst das Schlechte. Angestellte müssen angetrieben werden, denn von alleine tun sie nichts oder zu wenig oder alles falsch. Wenn Chef:in so denkt, wird’s echt schwer. Denn in Zeiten von Homeoffice und digitalen Meetings schwindet die Macht der Führungskraft für direkten Zu- und Durchgriff. Manch ein Unternehmer verbietet daher diese neuen Möglichkeiten zu arbeiten. Nun ist ja nichts schlecht daran, weiterhin im Büro vor Ort zu arbeiten. Aber… Nicht nur aus hygienischen Gründen ist das derzeit ein hohes Risko. Wer Unternehmen auf diese Weise führt, sät jede Menge Frust. Denn vieles geht halt auch schneller und besser mit den neuen Techniken. Sie ermöglichen eine ganz neue Flexibilität, wenn es darum geht, berufliche und private Belange in Balance zu bringen. Und vor allem: diese Technik geht nicht mehr weg! Wir haben jetzt die Chance, sozusagen native mit ihr aufzuwachsen und sie als eine weitere Kulturtechnik so selbstverständlich zu nutzen, wie wir das schon mit so vielen anderen Techniken geschafft haben. Unternehmer, die ihren Mitarbeitern Homeoffice und digitale Meetings grundsätzlich verbieten, haben bald nur noch Mitarbeiter, die in ihrer inneren Haltung ebenfalls rückwärtsgewandt sind (die anderen kündigen oder fangen erst gar nicht an). Unternehmen aber können nur in die Zukunft entwickelt werden und nicht in die Vergangenheit.
7.) Priorität auf Status und Hierarchie legen
Der beste Parkplatz, das dicke Auto, die teure Uhr, das große Eckbüro mit riesigen Fenstern, das respekteinflößende Vorzimmer, der laute Auftritt im Besprechungsraum, edel gedruckte Visitenkarten und und und. Die Arbeitswelt hat eine Vielfalt an Statussymbolen hervorgebracht. Dinge, Abläufe und Regeln, die dazu dienen, Wichtigkeit, Macht und Bedeutsamkeit zu kommunizieren. Das kann Spaß machen. Aber… Wenn wir uns in Zoom treffen, hat jeder die gleiche kleine Kachel. Da ist es egal, ob jemand teuer oder billig gekleidet ist, ob er im edlen Ledersessel sitzt oder auf einem Holzhocker. Statusgehabe nervt am Bildschirm gewaltig und lässt den Pfau nur peinlich wirken. Chef:in kann natürlich auch weiterhin König oder Königin spielen, aber die Kompetenzen, die uns diese Pandemie abverlangt, stehen diametral zum Statusspiel: Kollaboration, Achtsamkeit, Vertrauen, Loslassen, Kreativität, Agilität, Beweglichkeit, Dienen, Sharing, Art of Hosting, Macht teilen, Verbundenheit, Einfühlungsvermögen, Vielfalt usw. Es sind Kompetenzen, die im traditionellen Rollverständnis als eher weibliche Eigenschaften gesehen werden, während das Pochen auf Status, Verdrängung und Hierarchie eher einem männlichen Rollverständnis zugeschrieben werden. Vor diesem Hintergrund beschreibt Corona nicht nur eine gesundheitliche Krise, sondern auch eine Krise des Mannes. Des weißen heterogeschlechtlichen, alleinernährenden, immerkönnenden, alle besiegenden Mannes. Diese Art von Männlichkeit ist weltweit ein Auslaufmodell, und Corona befeuert diesen Prozess wie ein Turbolader. Kluge Unternehmer unternehmen daher genau jetzt etwas, um sich mental auf diese neuen Entwicklungen einzustellen. Ansonsten laufen sie Gefahr, ihr Unternehmen schlichtweg an die Wand zu fahren, denn die Menschen der neuen Zeit werden nicht bereit sein, für Unternehmer der alten Zeit zu arbeiten.
8.) Der eigenen Online-Performance vertrauen
Die letzten Monate waren ein großes Versuchslabor. Wir alle versuchen herauszufinden, wie wir uns online zeigen und verhalten, und haben bald erkannt, dass es Dinge gibt, die hilfreich sind (Mikro stummschalten vor dem Niesen) und Dinge, die man besser bleiben lässt (Lampe im Rücken statt von vorn). Wie kommuniziert man, dass man etwas sagen möchte? Zeigt man auf, redet man einfach, klickt man eine digitale Hand rein, räuspert man sich? Wohin genau guckt man beim Sprechen? Wie spricht man deutlich? Wie nutzt man Hilfsmittel wie Chats, Umfrage-Tools, Whiteboards, Breakout Rooms usw.? Was zeigt man von dem Ort, wo man sitzt, oder schaltet man einen virtuellen Hintergrund rein? Wie koordiniert man Technik und Inhalt? Was tut man bei technischen Problemen? Wie schafft man eine geeignete Arbeitsatmosphäre? Wie stellt man sicher, dass nicht alle nebenher surfen oder Whatsapps schreiben? Chef:in kann sich auf den Standpunkt zurückziehen, dass der Führungskraft sowieso alle zuhören müssen, ganz gleich, wie die Performance in der digitalen Welt aussieht. Kann man machen. Aber… Die Schonzeit geht langsam vorbei. Wer in den nächsten Monaten nicht zeigt, dass er auch in der Online-Welt einen angemessenen und souveränen Auftritt hinzulegen weiß, der gilt dann schlicht als peinlich. Kluge Unternehmer unternehmen jetzt das Nötige, dass sie morgen in Zoom und Teams genauso führungsstark performen wie im nussholzgetäfelten Besprechungsraum. Das noch nicht zu können, ist keine Schande – eine Schande wäre es, es nicht lernen zu wollen.
9.) Weiterbildung und Persönlichkeitsentwicklung stoppen
Viele Unternehmen haben mit Beginn der Pandemie ihre Fortbildungsmaßnahmen gestoppt. Entwicklung war plötzlich nicht mehr wichtig – alle waren jetzt angehalten, Umsatz zu machen. Und zwar in jeder Sekunde des Arbeitstags. Konzentration auf das Dringliche. Macht Sinn in der Krise (siehe oben), aber das Wichtige auf Dauer zu stoppen, macht keinen Sinn. Nur Mitarbeiter, die sich stetig weiterbilden und persönlich weiterentwickeln, haben die Chance, neue Lösungen zu kreieren. Zufriedenheit zu entwickeln. Motiviert zu bleiben. Personalentwicklung ist kein Benefit, kein mentaler Pausenraumkicker. Ständige Entwicklung ist der Normalzustand jedes Unternehmens, das in dieser kompetetiven Welt erfolgreich bestehen will. Chef:in kann verfügen, dass entsprechende Maßnahmen erst nach Corona wieder genehmigt werden, aber hej! Niemand weiß, wann das sein wird oder ob es ein Danach überhaupt geben wird. Kluge Unternehmer unternehmen jetzt etwas, dass ihre Mitarbeiter auch in der Krise fit, beweglich, neugierig und motiviert bleiben und ihrer Firma gerne die Stange halten.
10.) Die eigene Unsicherheit leugnen und verdrängen
Deutschland gehört zu den sichersten, abgesichertsten, organisiertesten, einschätzbarsten, strukturiertesten, wirtschaftlich potentesten, planbarsten, friedlichsten, gesündesten Gesellschaften dieser Erde. Daran sind wir gewöhnt. Umso härter schockt uns das, was uns Corona neben Kranken, Toten, Überlastungen und finanziellen Herausforderungen zumutet: den Umgang mit Nichtwissen. Wir sind es schlichtweg gewohnt, dass zu jeder Zeit irgendjemand genau weiß, was als Nächstes zu tun ist. Wie der nächste Schritt aussieht. Wer was wann wo wie tun sollte, um ein Problem zu lösen. All diese Gewissheiten zerbröseln gerade vor unseren Augen. Wer heute behauptet, alles zu wissen, wird morgen schon als Scharlatan entlarvt. Keiner weiß, was morgen wird. Ob wir morgen noch leben, ob wir morgen noch Arbeit haben, wann wir uns wieder umarmen können. Wir wissen es nicht – und müssen doch handeln. Müssen Entscheidungen treffen. Müssen das Risiko eingehen, Fehler zu machen, die anderen Menschen Schaden zufügen. Chef:in kann sich nun einen mentalen Panzer anziehen und all die Gefühle, die mit dem Zustand des Nichtwissens verbunden sind, fernhalten und abspalten. Aber inzwischen dürfte jedem klar sein, was mit Menschen geschieht, die dauerhaft massiv Gefühle abspalten. Das ist also keine Alternative. Kluge Unternehmer unternehmen jetzt das, was nötig ist, um berührbar zu bleiben und zugleich handlungsfähig. Um die eigene Unsicherheit zu akzeptieren, ohne daran zu verzweifeln. Das ist eine riesige Herausforderung; für viele Führungskräfte vielleicht die größte ihrer Karriere. Nehmen Sie sie an! Holen Sie sich Unterstützung! Sie brauchen das nicht alleine machen!
Conclusio:
Corona fordert uns heraus – oder schenkt uns die Möglichkeit – echte Transformation zu wagen. Rück-Sicht statt Ich-Sucht. Ökologie statt Egoismus. Vertrauen und Loslassen statt Kontrollieren und Festhalten. Kollaboration statt Einzelgängertum. Nachhaltigkeit statt Höher-Schneller-Weiter. Balance und Inklusion statt Ausgrenzung und Männerquote. Offenheit statt Silodenken.
Es ist möglich – Du verdienst es – Du kannst es – Du bist es wert
Dieser Beitrag erschien in gekürzter Fassung auch in Ausgabe 1/2021 des Fachmagazins Praxis Kommunikation.