Hartmut (48)
„Wenn ich nach 20 Jahren die Möglichkeit bekomme, ca. 2 Jahre ohne finanzielle Sorgen über meine berufliche Zukunft nachzudenken, wie komme ich dann zu der Entscheidung, welcher Job oder welche Aufgabe mir in den nächsten 20 Jahren meines Berufslebens am meisten Spaß/Glück bringt?“
Lieber Hartmut,
wenn ich Sie richtig verstehe, werden Sie in den nächsten zwei Jahren eine Art Auszeit nehmen, die finanziell abgesichert ist. Was wird in dieser Zeit geschehen? Was werden Sie tun und erleben? Wo werden Sie sein? Mit wem? Warum und wozu? – Und wie wird Sie all das verändern? Sie werden nach diesen zwei Jahren ein anderer sein als heute. Und da sind all die Zufälle, die Ihnen zufallen werden – Schönes wie Schweres – noch gar nicht mitgedacht.
Wenn ich Sie richtig verstehe, möchten Sie nach dieser zweijährigen Zwischenzeit noch etwa 20 Jahre arbeiten und zwar offenbar in einem anderen Beruf als bisher. Dieser Beruf soll Ihnen vor allem Spaß und Glück bringen.
Vielleicht mag es spitzfindig klingen, aber der Anspruch, dass einem ein Beruf Spaß und Glück „bringt“, scheint mir verwegen. Nichts und niemand im Leben „bringt“ uns Spaß und Glück. Beides finden wir immer nur in uns selbst.
Daher kann die Frage aus meiner Sicht nur lauten: Woran haben Sie jetzt und hier Freude? Was macht Ihnen heute schon Spaß? Welches Tun, welches Denken? Wann und wo? Mit welchen Menschen? Was braucht’s, damit sich die kurzen Momente des Glücks einstellen können?
Wir wissen nicht, was die Zukunft bringt. Werden wir gesund oder krank sein? Welchen Menschen begegnen wir? Wie verändern wir uns dadurch? Ereilen uns Schicksalsschläge? Wie gehen wir damit um? Erleben wir überhaupt den nächsten Tag?
Verstehen Sie mich nicht falsch: Es ist sinnvoll und geboten, für unsere Zukunft zu sorgen. Aber im Hier und Jetzt. Hier und jetzt bereite ich mich vor. Gebe mein Bestes. Sorge für Zufriedenheit. Ich glaube, dass ein „Ich BIN ein zufriedener Mensch“ mehr Potenzial für eine glückliche Zukunft besitzt als ein „Ich will in 20 Jahren durch meinen Beruf ein zufriedener Mensch WERDEN.“ Mit einer solchen Einstellung vertagen wir unser Glück im Grunde auf den Sankt-Nimmerleins-Tag.
Wenn man diesen Gedanken weiterspönne, würde sich sofort die Frage stellen: Was können Sie jetzt tun (oder lassen), um zufrieden zu sein? Um Spaß zu haben? Und was steht dem ggf. im Wege? Oder wer?
Lieber Hartmut, meine Empfehlung: Gehen Sie in eine Selbsterforschung. Finden Sie heraus, welche Leidenschaft Sie antreibt. Klären Sie Ihre Ambitionen. Spüren Sie nach, ob es in Ihnen eine Mission gibt, der Sie nachgehen möchten. Lockt am Horizont eine Vision, die einen Sog auf Sie ausübt?
All das tun Sie bitte nicht nur schwärmerisch mit einem Glas Rotwein in der Abendsonne. Nein, hier handelt es sich um einen wahrhaft kreativen, schöpferischen Akt, der immer auf drei Ebenen zugleich stattfindet: Im Kopf (mit Worten), im Körper (mit Bewegung), im Feld (mit inneren Bildern). Währenddessen werden Ihnen Hindernisse begegnen, Blockaden, Widerstände, Zweifel, Einwände. Teilweise werden diese Hindernisse uralt sein, aus Ihrer Kindheit und möglicherweise aus den Zeiten vor Ihrer Geburt. In diesen Momenten muss der kreative Akt kurz unterbrochen werden, um Klärung und Heilung zu ermöglichen. Danach geht es wieder weiter, bis klar vor Ihnen steht, worin Sie Spaß und Glück erleben. Im Kern ist es eine Arbeit des Spürens.
Daran schließt sich eine nüchterne Betrachtung an, was Sie heute praktisch tun müssen, damit Sie morgen all das erreichen können.
In diesem Vorgehen wird sich zeigen, welches genau die Parameter sind, die für Ihr Empfinden von Spaß und Glück besonders geeignet sind. Es wird sich zeigen, ob und inwieweit Ihr Beruf damit etwas zu tun hat. Ob es überhaupt zielführend ist, Spaß und Glück in der Sphäre des Berufs erleben zu wollen. Vielleicht ist es nützlicher, einen angenehmen, einigermaßen gut bezahlten Job zu finden, der Ihnen die Freiheit lässt, Spaß und Glück außerhalb der Berufswelt zu begegnen.
Langer Rede kurzer Sinn: Zäumen Sie das Pferd von vorne auf. Sorgen Sie erst für Spaß und Glück und danach für den besten Beruf. Das scheint mir aussichtsreicher, als inmitten unklarer Rahmenbedingungen einen Beruf zu wählen in der Hoffnung, dass Ihnen darüber Spaß und Glück geliefert werden.
Wie auch immer Sie sich entscheiden. Ich wünsche Ihnen eine tolle Auszeit, gute Gedanken und viel Freude.
Beste Grüße,
Ihr
PS. Allen Fragen und Antworten finden Sie wie immer hier