Erhard (40):
“Emotionale Abhängigkeit überwinden”
Lieber Erhard, was soll ich sagen? Genau 3 Worte schicken Sie mir. Drei! Mehr eine Überschrift als ein Satz oder gar eine Frage. Keine Info, um wen es geht. Vielleicht war es ja ein Versehen – vielleicht aber auch nicht. Ich versuche also mein Bestes…
Ich gehe davon aus, dass Sie nicht nur ein theoretisches Interesse am Thema “Emotionale Abhängigkeit” haben, denn dann würden Sie wohl einfach Google fragen statt mich. Wenn Sie Ihren Drei-Wort-Text in die Suchmaschine eingäben, bekämen Sie jedenfalls eine ganze Reihe interessante Beiträge angeboten.
Um wen geht es? Wer fühlt sich emotional abhängig? Sie oder jemand, den Sie kennen? Ich wähle für meine weiteren Ausführungen die erste Variante, denn dann habe ich einen direkten Ansprechpartner für meine Antwort.
Also dann…
Wenn Sie emotional von einem Menschen abhängig sind – ich unterstelle mal, dass es um einen Menschen geht – dann nehmen Sie diesen Menschen wichtiger als sich selbst.
Ihre Zufriedenheit, Ihre Lebensfreude, Ihr Selbstvertrauen, Ihr Selbstbild, Ihre Sexualität, Ihre Energie – alles ist abhängig vom Anderen. Für all dies können Sie nicht selber sorgen. Das muss der Andere für Sie tun. Sie sind abhängig.
Um zu bekommen, was Sie so sehr vermissen, würden Sie alles tun. Ein Junkie würde klauen, betteln, das letzte Hemd versetzen. Der emotional Abhängige würde nett sein bis es schmerzt. Nett in der Hoffnung, erhört und belohnt zu werden.
Aber so wenig die Droge für echtes Glück sorgt, so wenig sorgt exzessives Nett-Sein für Lebensglück. Keine Chance. Und je heftiger das nette Wollen, desto größer die Unwahrscheinlichkeit.
Was bleibt?
Brechen Sie auf zu sich selber. Die ersten zwei Schritte haben Sie ja schon getan: Sie haben Ihre Abhängigkeit erkannt, und Sie haben um Rat gefragt. Da ist großartig!
Jetzt geht es um die nächsten Schritte. Suchen Sie sich eine regelmäßige Begleitung: Einen Coach, einen Therapeuten, eine Männer-Selbsthilfegruppe, eine Heldenreise. Alleine würde es viel schwerer.
Und dann machen Sie sich auf die Reise. Ziel: Sie selbst. Erforschen Sie sich selbst mit solchen Fragen: Wer bin ich? Was will ich? Was ist mir wichtig? Wofür stehe ich morgens auf? Woraus schöpfe ich Kraft? Wo erlebe ich Sinn? Welche Werte sind mir wichtig? Wo geht es mir gut? Welches Tun gibt mir Kraft und Stolz? Mit wem muss ich noch ins Reine kommen? Wie stehe ich zu meinen Eltern? Wie bin ich aggressiv? Was ist für mich Männlichkeit? Wann erlebe ich Verbundenheit? usw.
Wichtig: All diese Fragen ertragen keine theoretischen oder analytischen Antworten. Die einzigen Antworten, die zählen, sind die gefühlten. Die aus dem Herzen. Die wirklich ehrlichen. Sie werden an Orte gehen müssen, die schmerzen. Dorthin, wo Scham und Schwäche und Ohnmacht regieren. Gehen Sie dorthin, und nehmen Sie jemand mit, der Sie dabei professionell begleitet.
Für Ihr Selbst sind Sie der wichtigste Mensch auf der Welt. Ohne Wenn und Aber. Sie, niemand anderes. Das gilt für jeden Menschen. Wir sollten uns selber nicht zu wichtig nehmen (auch wenn das unserem Ego nicht gefällt), aber wenn wir unseren Wert und unsere Würde nicht spüren, dann können wir nicht zufrieden oder gar glücklich werden.
Lieber Erhard, ich weiß nicht, ob Sie mit meinen Worten etwas anfangen können – ich hatte nicht viel, worauf ich mich beziehen konnte. In jedem Fall wünsche ich Ihnen viel Erfolg und viel Freude auf Ihrer Reise.
Beste Grüße,
Ihr
PS. Allen Fragen und Antworten finden Sie wie immer hier