Claudia (58):
„Wie schaffe ich es, dauerhaft meine Selbstsabotage abzustellen in Bezug auf Essen, Arbeit, usw.?“
Liebe Claudia, Sie scheinen es gerade nicht leicht zu haben. In Ihrer Frage an mich deuten Sie an, dass es mehrere Bereiche in Ihrem Leben gibt, in denen es noch nicht so läuft, wie Sie es sich wünschen. Mir scheint, dass Sie zudem bereits einige Versuche hinter sich haben, die Dinge zu ändern, aber Ihren Versuchen war immer nur ein eher kurzer Erfolg beschieden. Ich könnte mir vorstellen, dass Sie das manchmal traurig, ärgerlich oder ohnmächtig macht. Hinzu kommt, dass Sie jetzt 58 Jahre alt sind, ein Alter, in dem viele von sich verlangen, die eigenen Angelegenheiten einigermaßen im Griff zu haben.
Ein Wort in Ihrer Frage fiel mir gleich ins Auge: „Sabotage“. Sabotage bezeichnet eine absichtliche und gewalttätige Beschädigung oder Zerstörung wichtiger Abläufe oder Einrichtungen.
Ich lade Sie zu einem Gedankenexperiment ein, das Ihnen womöglich ein wenig paradox vorkommen mag. Bezeichnen Sie einmal das, was Sie da offenbar mit sich tun, nicht als „Selbstsabotage“ sondern als „Selbstfürsorge“. Tun Sie für einen Moment so, als würde Ihnen das, was Sie da offenbar mit sich tun, gut tun. So richtig gut tun.
- Wie würden Sie diesen klitzekleinen Moment der Entspannung beschreiben, der sich einstellt, wenn Sie so handeln wie Sie handeln?
- Wo in Ihrem Körper spüren Sie diesen Anflug von Befriedigung, wenn Sie so handeln?
- Wann genau handeln Sie am liebsten so?
- Welcherart ist der Genuss, die Freude, wenn Sie so handeln? Und seien sie auch noch so kurz.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich zweifle nicht daran, dass Ihnen Ihr Handeln auf den Nerv geht. Dass Sie sich damit selbst schaden. Dass es Ihnen in vielerlei Hinsicht besser gehen könnte, wenn Sie nicht mehr täten, was Sie offenbar tun. All das zweifle ich nicht an – aber…
Aber ich bezweifle, dass es Ihnen bei Ihrem Handeln um eine Beschädigung oder Zerstörung Ihrer selbst geht. Vielleicht läuft es darauf hinaus – das mag sein – aber es ist nicht Ihr primäres Ziel. Nein, in erster Linie geht es Ihnen darum, gut für sich zu sorgen. Sich selbst gut zu tun. Entspannung, Freude, Genuss, Geborgenheit, Verbundenheit oder Sicherheit zu spüren – und sei es nur für einen ganz kurzen Moment. Und sei es für den Preis nachfolgender Scham, Hilflosigkeit und Frustration.
Diesen Preis aber zahlen Sie gerne, denn irgendwie ist er die guten Gefühle wert, die sie dafür bekommen, nicht wahr?
Liebe Claudia, wenn Sie tatsächlich Ihre Gewohnheiten und Verhaltensweisen dauerhaft ändern möchten, dann wäre das ein guter Ausgangspunkt: Ehrlich anzuschauen und anzuerkennen, was Sie durch Ihr bisheriges Handeln gewinnen.
Dieser Gewinn steht Ihnen zu! Und es ist Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass diese Bedürfnisse gestillt werden. Dauerhaft.
Erst, wenn Sie sich diese Bedürfnisse eingestehen und sich dafür respektieren, Ihr Leben lang für sie gesorgt zu haben – auch wenn der Preis, den Sie dafür zahlen, inzwischen hoch sein mag – haben Sie eine reelle Chance, Ihr Verhalten zu ändern. Dann geht es darum, auch weiterhin für Ihre Bedürfnisse zu sorgen – fortan aber mit anderen Strategien. Mit Verhaltensweisen und Gewohnheiten, die nicht so einen hohen Preis fordern.
Liebe Claudia, in Ihrer Frage an mich haben Sie keine Informationen über die konkreten Inhalte Ihres Handelns genannt. Ich kann Ihnen daher nur auf diese eher theoretische, grundsätzliche Art antworten. Aber vielleicht reicht das ja bereits aus, um die Weichen zu stellen für eine Reise in eine viel schönere Zukunft. Ich wünsche es Ihnen.
Fröhliche Weihnachten und beste Grüße,
Ihr
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