Friedemann Schulz von Thun, prominenter Psychologe und Kommunikationswissenschaftler, definiert Souveränität in einer Weise, die ich sehr sympathisch finde. Sie deckt sich mit meiner Haltung und mit meiner Arbeit als Souveränitäter® und ist weit entfernt von dem Du-Kannst-Alles-Geschrei, mit dem die Motivations-Gurus die großen Hallen füllen.
Thuns Beschreibung ist erfüllt von Menschlichkeit und Humanismus. Sie bietet sowohl Platz für‘s Überlegen-Sein als auch für das Manchmal-Nicht-Können.
In seiner (und meiner) Sichtweise hat ein wahrhaft souveränes Auftreten immer auch Raum für Schwächen, denn echte Souveränität zeichnet sich nicht durch pausenlose Überlegenheit aus sondern durch einen aktiven Umgang mit eben den Situationen, in denen man mal nicht alles im Griff hat. Wo es mal nicht perfekt läuft.
Und niemand ist perfekt. Wir alle sind vollkommen, aber niemand ist perfekt. Und das Streben nach Perfektion – auch im Auftreten – führt immer ins Scheitern und immer zu einer persönlichen Wirkung, die unsympathisch, großspurig, unglaubwürdig, peinlich und übertrieben erscheint. Eben unsouverän.
Dabei ist das Plädoyer für das Zulassen von Schwäche kein Freibrief für Selbstaufgabe, denn die ist genau so umsouverän und unangenehm wie der vordergründige Perfektionismus, der aus einer übertriebenen Souveränität erster Ordnung entsteht.
„Ich unterscheide zwischen einer Souveränität erster Ordnung (…) und einer Souveränität höherer Ordnung (…)
der Ehrgeiz einer Souveränität erster Ordnung besteht darin, alles im Griff zu haben, mit exzellenter rhetorischer Schlagfertigkeit zu glänzen, sich keine Blöße zu geben, fabelhaft fit und gut gelaunt zu erscheinen, perfekt professionell in allen Lebenslagen die Oberhand zu behalten.
(Die Souveränität höherer Ordnung) strebt ebenfalls an, den Herausforderungen des Lebens gewachsen zu sein, gewachsen zu werden, mit allen dafür erforderlichen professionellen Konsequenzen Kompetenzen.
Jedoch gestehe ich mir Schwächen, Irrtümer und Begrenzungen zu, auch dass ich zuweilen ratlos, melancholisch, empfindlich, hilfsbedürftig, gelähmt und unbedacht bin, mich womöglich schuldig gemacht habe.
Und indem ich mir alles dies nicht als kläglich angehörig, sondern als menschlich zugehörig ansehe, erkenne ich es als Teil der humanen Realität an. (…)
Und zu dieser Menschlichkeit gehört eben, dass man nicht permanent leidenschaftlich, begeistert und entscheidungsfreudig ist, sondern eben manchmal auch ratlos, verkrüppelt, von Selbstzweifeln zermürbt, begrenzt, ohnmächtig und verletzlich.“
Quelle: „Kommunikation als Lebenskunst. Philosophie und Praxis des Miteinander-Redens“
Friedemann Schulz von Thun hat verschiedene Kommunikationsmodelle entworfen, unter anderem das Werte- und Entwicklungsquadrat. So könnte man das oben Gesagte schematisch so darstellen: