Gibt es eine bessere Gleichzeitigkeit als das Osterfest und diese Pandemie?
Ostern erinnern wir uns an die wütende Vertreibung der Händler aus dem Tempel. Wir bewundern die Courage, die Jesus gezeigt hat, als er sich allein und ohne Schutz gegen die Normen und Autoritäten seiner Zeit erhoben hat. Wir verehren ihn dafür, dass er bereit war, einen furchtbaren Preis zu zahlen für sein Werben für eine andere, eine bessere Welt.
Perspektivwechsel.
Unser Wohlstand – innerlich wie äußerlich – ruht auf vielen Säulen. Eine davon ist die Bereitschaft, Opfer zu bringen. Um uns durchzusetzen, um zu gewinnen, um mehr zu haben, haben wir immer gerne viele geopfert:
- Arme
- Frauen
- Hexen
- Arbeiter
- Juden
- Andersdenkende und -gläubige
- Sklaven
- Zigeuner
- Schwule
In jüngster Zeit auch:
- Tiere
- Flüchtlinge
Und heute?
Binnen eines einzigen Jahres höhnen wir über Greta und FFF und bekunden unsere Bereitschaft, das Klima zu ruinieren und die Zukunft der Jungen zu opfern, UND wir treten in eine Diskussion darüber ein, welches Leben wir wegen Corona zu opfern bereit sind zugunsten der Lebensart der Nicht-Geopferten.
Die Einschläge kommen immer näher. Bis eben noch waren die Opfer immer noch irgendwie die anderen. Wir bekamen es sogar hin, Fremde im Mittelmeer verrecken zu lassen und in Flüchtlingslagern in den Selbstmord zu treiben und gleichzeitig die wertvolleren Fremden aus Rumänien zu holen, damit sie unser aller Lieblingsgemüse ernten, derweil wir auf Instagram Tipps gegen die Langeweile von StayAtHome austauschen.
Der Kapitalismus ist nicht schuld an Corona, und der Kapitalismus hat die Welt unendlich viel besser gemacht – UND die Denkweise, die er fordert, fordert Opfer. Massenweise Opfer.
Was ist jetzt anders?
Bis gerade eben noch waren die Opfer die Anderen. Die Verdrängung hat irgendwie noch funktioniert. Gut, in den letzten Jahrzehnten gab’s zunehmend Hippies, die Respekt für geborene Opfer einforderten: Für Weiber, für Schwuchteln und Lesben, für Transen, für Neger, für Nutten. Bisschen nervig, aber was soll’s!? Hauptsache, wir standen weiterhin NICHT SELBST auf der Opfer-Seite!
Und jetzt?
Jetzt schwant es uns, dass der Anteil der Opfer immer größer und der Anteil der Gewinner immer kleiner wird. Und dass – und das ist neu – nun JEDER blitzschnell im Opfer-Lager konzentriert sein kann. Und sei es nur wegen einer blöden Vorerkrankung (was für ein dämliches Wort!) oder wegen seines Alters oder wegen… Na, wegen ALLEM!
Jesus hat die Händler nicht aus dem Tempel getrieben, weil er was gegen das Handeln hatte. Er hat sie hinausgeworfen, weil sie den Tempel selbst verkauft haben. Verkauft an die Gier und die Habsucht, wodurch die Verbindung zu Gott, zur Liebe und zur Mitmenschlichkeit unterbrochen wurde.
Und so geht es jetzt nicht darum, Argumente pro oder contra Kapitalismus auszutauschen. Es geht darum, unser Haus wieder zu säubern. Das heißt: Unsere Köpfe, unsere Herzen zu reinigen, damit wir überhaupt wieder in die Lage kommen, eine bessere Welt zu erahnen. Die Reinigung fängt im Innen an und erstreckt sich danach auf alles Häuser, die wir gebaut haben in Politik, Wirtschaft, Religion und Kultur.
Vielleicht finden wir einen Weg, die Segnungen des Kapitalismus zu nutzen, ohne weiterhin unsere Seelen zu deformieren durch Gier, Brutalität und Verdrängung. Ich weiß es nicht. Das einzige, was ich weiß: Wenn wir so weitermachen wie bisher, opfern wir uns am Ende alle. Wenn wir nicht dahin kommen, zwischen dem Tempel und dem Handeln zu UNTERSCHEIDEN, wird das Handeln zu einer immer effektiveren Massenvernichtungswaffe.
„Macht Euch die Erde untertan“, lernten wir in der Bibel, und nutzten diese Worte als Freibrief für gottlose Taten jeglicher Couleur. Wir könnten Corona nun zum Anlass nehmen, als „Erde“ unser Handeln auf Erden zu sehen und „Euch“ als die, die wir in Wahrheit sind: Gottes Ebenbild. Gottes geliebte Kinder. Reine Liebe in einem sinnlichen Körper.
Niemand zwingt uns, unser Selbst mit dem Kapitalismus zu verwechseln. Wir sind nicht Gier und nicht Habsucht. Kein Gott verlangt das von uns. Aber wir dürfen Ostern 2020 nutzen, um die Auferstehung der Menschheit aus ihrer selbst verschuldeten Unmündigkeit einzuleiten. Wir dürfen unsere Augen öffnen und unsere Herzen.
Das ist möglich. Das verdienen wir. Das können wir. Das sind wir wert. Alle!
Frohe Ostern.
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