Manuel (25)
„Obwohl ich die notwendigen Kompetenzen und das Fachwissen habe, fange ich in manchen Situationen an, mich zu verhaspeln oder sogar leicht zu stottern. Im Alltag passiert mir dies nie. Fällt es mir in den Situationen auf, dass ich gerade ‚unsouverän‘ auftrete, verstärkt es den negativen Effekt. Wie kann ich in solchen Situationen einen kühlen Kopf bewahren oder gar das Stottern vermeiden?“
Lieber Manuel, willkommen im Club! Die meisten Menschen kennen Situationen, in denen sie sich verhaspeln oder in denen ihre Stimme vorübergehend ins Stottern gerät. Das ist ok. Das ist ein Zeichen von Lampenfieber, Fracksausen, Bammel – und das ist ganz normal.
Von Schauspielern hört man auch oft den Satz: »Wenn ich irgendwann mal kein Lampenfieber mehr habe, hänge ich meinen Beruf an den Nagel.« Sie befürchten, ihre Sache nicht mehr ernst genug zu nehmen und unkonzentriert zu werden, wenn der Kopf nur noch kühl bleibt.
Und manchmal genießen wir es sogar – nur sagen wir dann nicht Lampenfieber, sondern gespannte Erwartung.
In diesen einleitenden Worten stecken zwei wichtige Aspekte für Sie: ein Aspekt der Bewertung und eine physische Komponente.
- Physisch heißt: Wenn uns das Lampenfieber packt, steigt unser Adrenalinspiegel, und unser Gesichtsfeld verengt sich – wir machen uns kampfbereit und fokussieren uns. Das ist eine gute Sache, denn schließlich wollen wir nicht kampflos untergehen, sondern unseren Gegner besiegen. Da der Gegner in Ihrem Fall aber kein zähnefletschender Säbelzahntiger ist, sondern die Angst, zu versagen, brauchen wir lediglich adäquate Techniken, um mit dieser Angst gut umzugehen.
- Bewertung heißt: Jeder Gedanke, der unser Lampenfieber als störend, falsch, dumm, versagend oder unsouverän bewertet, ist Wasser auf seine Mühlen – sprich: das Lampenfieber wird noch größer als es eigentlich ist. Also: Begrüßen Sie Ihr Lampenfieber, anstatt es blöd zu finden! Das meine ich ganz wörtlich. Wenn Sie merken, dass es wieder zu Ihnen kommt, halten Sie inne und sagen Sie laut: „Hallo liebes Lampenfieber, herzlich willkommen. Schön, dass Du da bist, alter Freund. Ich kümmere mich gleich um Dich. Aber erst mal muss ich mich noch um eine andere Sache kümmern, danach bin ich bei Dir. Danach. Danach!“ Das ist wie beim großen Familientreffen. Die Alten wollen sich in Ruhe unterhalten, alldieweil die Jungen lauthals über Tisch und Bänke toben. Wenn den Erwachsenen die Störung schließlich zu arg wird, sagen sie nicht „Ruhe, oder wir töten Euch!“, sondern „Geht doch mal raus in den Garten.“ Sie versuchen nicht, die Kinder zu eliminieren, sondern akzeptieren ihre Energie und weisen ihr einen adäquaten Ort zu. Und genau das können Sie auch mit Ihrem Lampenfieber machen. Ab sofort können Sie sich dafür entscheiden, es zu akzeptieren – einfach, weil es sowieso da ist – und dann einen anderen Weg im Umgang damit finden als Widerstand.
Der beste Hebel für einen erfolgreichen Umgang mit Lampenfieber ist der eigene Körper; im speziellen: Atmung und Bewegung. Mit dem Kopf alleine (Intellekt, Denken, Willen) geht das nicht.
- Atmen Sie mehrmals tief aus. Unterkiefer locker, die Zähne auseinander, der Mund leicht geöffnet. Langsam und lange. Mehrmals hintereinander. Nichts fährt unser System so schnell runter wie tiefes Ausatmen. Bitte nicht tief ein-atmen! Das geht in die andere Richtung, das steigert unsere Aufregung!
- Singen Sie. Singen können wir nur beim Einatmen – einer der Gründe, warum uns Singen in gute Stimmung bringt.
- Gestikulieren Sie. Bringen Sie Ihre Arme und Hände in muntere Bewegung. Denn Lampenfieber hat die Tendenz, uns starr werden zu lassen. Aber je starrer und unbewegter wir werden, desto schneller stockt unser Denken, desto schneller stottert unsere Stimme. Und umgekehrt: Das Bewegen des Körpers hält auch unser Denken und Sprechen beweglich.
- Deshalb hilft es auch umherzugehen. Vorher einmal um den Block. Während einer Präsentation von links nach rechts. Wenn Sie sitzen: stehen Sie auf!
- Wenn Sie möchten, buchen Sie eine Stunde bei mir, und ich zeige Ihnen darüberhinaus weitere Atem- und Bewegungsübungen.
Was ich Ihnen unbedingt noch ans aufgeregte Herz legen möchte: Trainieren Sie, sich zu erden. Wir redewenden sogar so und sagen: „Mit beiden Füßen fest auf der Erde stehen“. Das heißt konkret: Halten Sie immer wieder mal inne – insbesondere in lampenfiebrigen Situationen –, und spüren Sie mit beiden Fußsohlen den Boden unter Ihnen. Ertasten Sie jeden Zentimeter der Kontaktfläche zwischen Ihren Füßen und der Erde. Sorgen Sie dafür, dass Sie mit beiden Füßen eine stabile Verbindung mit der Erde eingehen. Je aufgeregter Sie sind, umso wichtiger!
Auch hier ist das nur ein erster Ansatz: Das Sich-Erden kann man auf vielerlei Weise ausbauen und intensivieren. Ich bringe es Ihnen gerne bei.
In diesen Zusammenhang gehört auch das weite Feld zwischen Mentaltraining und Meditation. Ebenfalls ein lohnendes Feld für einen guten Umgang mit Lampenfieber.
Lieber Manuel, ich hoffe, diese ersten Anregungen helfen Ihnen weiter. Ich habe angedeutet, dass es noch einiges mehr gibt, das es wert wäre einzuüben. Sie entscheiden, wie weit Sie hier gehen möchten.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei und eine gute Zeit mit Ihrem neuen Freund.
PS. Allen Fragen und Antworten finden Sie wie immer hier